Ergotherapie
Pädiatrie, Neurologie, Orthopädie.
Ergotherapie ist ein eigenständiger medizinischer Behandlungsansatz, aber auch gegenseitig übergreifend mit Physiotherapie. Ergotherapie gehört zu den medizinischen Heilberufen. Der Begriff Ergotherapie stammt aus dem Griechischen und besagt so viel wie: Gesundung durch Handeln und Arbeiten.
Die Ergotherapie hilft Menschen dabei, eine durch Krankheit, Verletzung oder Behinderung verlorengegangene oder noch nicht vorhandene Handlungsfähigkeit im Alltagsleben (wieder) zu erreichen. Funktionen und Fähigkeiten eines Menschen können zum Beispiel durch einen Schlaganfall verloren gehen oder bei Kindern aufgrund von Entwicklungsstörungen in nicht ausreichendem Maße ausgebildet sein.
Handlungsfähig im Alltagsleben zu sein bedeutet, dass ein Mensch die Aufgaben, die er sich stellt und die ihm durch sein Leben bzw. die Gesellschaft gestellt werden, für sich zufriedenstellend erfüllen kann.
Das Ziel – größtmögliche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit im Alltags-, Schul- und Berufsleben - wird mittels verschiedener ergotherapeutischer Maßnahmen verfolgt.
Die Ergotherapie hat einen ganzheitlichen Ansatz. Das heißt, dass nicht nur die Bewegungsabläufe des Körpers (= Motorik) geschult werden, sondern das ganze menschliche System einbezogen wird. Es geht also um Bewegung, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und harmonisches Zusammenwirken dieser Einzelaspekte.
Durch diesen ganzheitlichen Ansatz
- können körperliche und seelische Zustände verbessert werden,
- kann der Leidensdruck gesenkt werden,
- kann eine Schmerzlinderung erfolgen,
- kann Pflegebedürftigkeit hinausgezögert werden.
Je nach Krankheitsbild werden unterschiedliche Einzelmaßnahmen der Ergotherapie individuell zusammengestellt. Einzelmaßnahmen sind zum Beispiel:
- das Trainieren und Vorbereiten von körperlichen Bewegungsabläufen
- das Trainieren von Kraft, Beweglichkeit, Ausdauer und Koordination mit dem Schwerpunkt Rumpf (= der Leib ohne Kopf und Gliedmaßen). Auf diese Weise können Bewegungseinschränkungen ausgeglichen oder gänzlich behoben werden.
- Training zur Selbsthilfe: Waschen, Anziehen, Essen, Schlucken, Trinken
- Trainieren des Alltags: z.B. Einkaufen, Telefonieren, Umgang mit anderen Kommunikationsmitteln, Orientieren im Straßenverkehr, Zeiteinteilung, Tagesstrukturierung, und vieles mehr
- das Trainieren der Aufmerksamkeit, der Wahrnehmung, der Konzentration, des Gedächtnisses und der Ausdauer
- das Trainieren des Gehirns zum Beispiel bei Erkrankungen und Verletzungen des Gehirns
- das Beraten und Anleiten der Angehörigen im Umgang mit dem Patienten.
Zum Aufgabenfeld der Ergotherapeuten gehört auch die Analyse der Wohnsituation und Wohnumgebung, um auch hier – durch eine entsprechende Wohnraumgestaltung – die größtmögliche Eigenständigkeit des Patienten zu erreichen. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal sowie dem Physiotherapeuten oder dem Sozialarbeiter.
Ergotherapie wird angewendet
- bei Schlaganfall- oder Herzinfarktpatienten, sofern diese dadurch körperliche Schädigungen erlitten haben,
- bei Menschen mit angeborenen körperlichen Schädigungen,
- bei Menschen mit angeborenen geistigen Schädigungen,
- bei Menschen mit rheumatischen Erkrankungen,
- bei Kindern mit Verhaltens- oder Entwicklungsstörungen,
- bei Menschen mit massiven neurologischen Störungen, zum Beispiel nach einem Unfall,
- bei Menschen mit orthopädischem Verschleiß,
- bei Menschen mit Störungen der Koordination, der Aufmerksamkeit, der Reaktion, der Merkfähigkeit, des Gleichgewichts oder der Grob- bzw. Feinmotorik (Motorik = Bewegungslehre, Bewegungsabläufe),
- bei Menschen mit Alterserkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer (Erkrankungen des Gehirns),
- bei Menschen mit Multipler Sklerose (Erkrankung des Nervensystems).
Um abzuklären, ob bestimmte Beschwerden ergotherapeutisch behandelt werden können und sollen, ist es am besten, direkte Rücksprache mit einer freien ergotherapeutischen Praxis und dem Arzt zu halten.
Ergotherapie wird auch im Rahmen der Prävention (= Vorsorge) angewendet, um zum Beispiel bei Schulkindern die Konzentrationsfähigkeit zu fördern, die auditive (= den Gehörsinn betreffende) Wahrnehmung zu stärken oder frühzeitig die Feinmotorik zu trainieren.¹
Geschichte der Ergotherapie
Die Geschichte der Ergotherapie ist sehr umfassend und lang. Daher wird versucht hier einen zusammenfassenden Abriss zu geben.
Das eigentliche Berufsbild der Ergotherapie entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA. Es wurde ein eigener Ausbildungsgang für "Arbeits- und Beschäftigungstherapeuten" (die damalige Bezeichnung für Ergotherapeuten) geschaffen. 1908 wurde die erste Ergotherapieschule in Chicago eröffnet. In Europa folgten Schulen in England (Bristol 1930) und Dänemark (Kopenhagen 1935).
In Deutschland entwickelte sich die Ergotherapie erst nach dem zweiten Weltkrieg. Engländer und Skandinavier griffen unterstützend ein und ermöglichten so die ersten Ergotherapie-Kurse. Die erste staatlich anerkannte Schule wurde 1953 in Hannover gegründet. Weitere Schulen folgten in den Jahren 1959 bis 1966 in Bayern, Berlin und Hessen.
Bis heute sind viele weitere Schulen gefolgt, um dem hohen Bedarf der Bevölkerung an ergotherapeutischen Leistungen gerecht zu werden.³
Wo wird Ergotherapie durchgeführt
Die Ergotherapie wird sowohl stationär in psychiatrischen und psychotherapeutischen Kliniken als auch teilstationär in Tageskliniken angeboten. Eine Bedeutung hat sie auch im ambulanten Bereich, etwa in freien Praxen oder in sozialpsychiatrischen Ambulanzen. Die Behandlung kann als Einzeltherapie, in Kleingruppen oder auch als Gruppentherapie durchgeführt werden. 2
Ergotherapeuten beraten, behandeln und fördern Patienten jeden Alters, die durch eine physische oder psychische Erkrankung, durch eine Behinderung oder durch eine Entwicklungsstörung in ihrer Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit beeinträchtigt bzw. von Einschränkungen bedroht sind. Sie erarbeiten individuelle Behandlungspläne, führen Therapien sowie Maßnahmen der Prävention durch und übernehmen leitende Funktionen in Verwaltung und Management von Gesundheitseinrichtungen.³
Ergotherapie ist in Deutschland ein anerkanntes Heilmittel und wird vom Arzt verordnet.
Ziel der Ergotherapie
Ziel der Ergotherapie ist in allen Einsatzbereichen gleich: eine zufriedenstellende Ausführung alltäglicher Handlungen und die damit verbundene selbstbestimmte Teilhabe am sozio-kulturellen Leben.³
Das wird erreicht durch Verbesserung, Wiederherstellung oder Kompensation der beeinträchtigten Fähigkeiten und Funktionen. Neben geeigneten Übungen soll auch der Einsatz von geeigneten Hilfsmitteln dazu beitragen, dass die Umwelt an die verbleibenden Fähigkeiten angepasst und so ein Optimum an Rehabilitation erreicht wird.³
Pädiatrie
Die Behandlung von Kindern (Pädiatrie) ist ein wesentliches Teilgebiet der Ergotherapie und überschneidet sich in mehreren Bereichen und in zunehmendem Maße mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Kinderpsychologie bzw. der kinderpsychologischen Behandlung. Daher kann Ergotherapie bei allen Kindern und Jugendlichen indiziert (angebracht) sein, deren Entwicklung zu selbstständigen, handlungsfähigen Erwachsenen eingeschränkt bzw. behindert ist.³
Von eminenter Wichtigkeit ist die Einbeziehung des sozialen Umfeldes des Kindes in eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, also der Erzieher, Lehrer, Kinderpsychologen, Kinder- und Jugendpsychiater und anderer Therapeuten, vor allem aber der Eltern.
Neurologie
Hier werden vor allem Erkrankungen des zentralen Nervensystems, zum Beispiel Zustand nach Schlaganfall, Schädel-Hirn-Verletzungen, Querschnittlähmungen oder Skoliose (= Verkrümmung der Wirbelsäule) behandelt.
Eine ergotherapeutische Behandlung in diesem Fachbereich beinhaltet zum Beispiel:
- Therapie der Störung und Herstellung des vor der Erkrankung bekannten Zustandes
- Behandlung von Störungen der Grob- und Feinmotorik
- Verbesserung von Gleichgewichtsempfindungen und der Gleichgewichtsreaktionen
- Erlernen von Ersatzfunktionen
- Training von Alltagsaktivitäten im Hinblick auf die persönliche, häusliche und berufliche Selbständigkeit
- Beratung bezüglich geeigneter Hilfsmittel und Änderungen im häuslichen und beruflichen Umfeld, eventuell Anpassung von Hilfsmitteln
und Verschiedenes mehr.
Orthopädie
Ergotherapeutisch werden behandelt:
- Menschen mit Störungen des Bewegungsapparates der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule, z. B. Knochenbrüche
- Amputationen
- Querschnittlähmungen
- rheumatische Erkrankungen
- Narbenbehandlung von Brandverletzten sowie eine Schienenversorgung
Die Arbeit geschieht hauptsächlich über motorisch-funktionelles Training. Weiterhin werden Hilfsmittel angepasst und deren Handhabung geübt und der Wohnraum des Betroffenen bei Bedarf adaptiert (= anpassen). Besonderer Schwerpunkt ist die Wiederherstellung der Feinmotorik, um eine größtmögliche Selbstständigkeit beim Essen, Trinken, Waschen und Anziehen (= Aktivitäten des täglichen Lebens) zu erreichen.
Geriatrie
Ergotherapeutisch behandelt werden ältere Menschen mit akuten und chronischen Erkrankungen aus den Fachgebieten der Neurologie, Inneren Medizin, Orthopädie, Chirurgie und Psychiatrie, die aufgrund der oben genannten Störungsbilder und Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität) in Senioren- und Pflegeheimen leben.
Ziele der Ergotherapie sind in diesem Bereich unter anderem:
- Förderung und Stabilisierung von vorhandenen und verloren gegangenen geistigen, sozialen und körperlichen Fähigkeiten
- Selbstständigkeit im Alltag
- Erweiterung und Erhaltung des Bewegungsausmaßes aller Gelenke (eigentlich eher Schwerpunkt der Physiotherapie, hier überschneiden sich allerdings die Felder)
- Verbesserung der Handlungs- und Bewegungsplanung und -durchführung
- Förderung der Wahrnehmung in allen Sinnesbereichen
- Förderung und Stabilisierung von Gedächtnisleistungen, Aufmerksamkeit, Konzentration und Orientierung
- Verbesserung und Erhaltung von individuell bestimmter Lebensqualität
- Sturzprophylaxe
Psychiatrie
Ergotherapie in der Psychiatrie bietet Menschen aller Altersstufen – die zum Beispiel unter Suchterkrankungen, neurotischen oder psychosomatischen Störungen leiden – die Möglichkeit, durch die Erkrankung verloren gegangene Fähigkeiten wiederzuerlangen.
Zu den Krankheitsbildern, mit denen Ergotherapeuten in der Psychiatrie zu tun haben, gehören psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter, Angststörungen, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, Depressionen, Schizophrenien, Essstörungen, affektive Störungen, dementielle Syndrome, Störungen bei Alkohol-, Drogen- und Medikamentensucht.
Die grundsätzlichen Ziele der Ergotherapie in der Psychiatrie sind die Entwicklung, Verbesserung und der Erhalt von
- Psychischen Grundleistungsfunktionen wie Antrieb, Motivation, Belastbarkeit, Ausdauer, Flexibilität und Selbstständigkeit in der Tagesstrukturierung
- Körperwahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung
- Psychischer Stabilität und Selbstvertrauen
- Eigenständiger Lebensführung
- Wiederherstellen, Steigern oder Erhalten der motorischen Funktionen
- Übungen zur Gelenkmobilisation und Muskelaufbau / -stärkung
- Bewegungsübungen jeder Art mit oder ohne Gewicht / Widerstand
Mitarbeiterberatung und Business Coaching
Zunehmend wichtiger wird in der Ergotherapie die berufliche Integration und die dauerhafte Förderung beruflicher Fähigkeiten durch Prävention und Rehabilitation. Hierzu gehört neben dem beruflichen Training der Arbeitsfähigkeit eine Unterstützung des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz. Im Rahmen der Unterstützung finden unter anderem kompetenzzentrierte Methoden durch Medien wie Arbeiten am PC, Leittexte zur Textverarbeitung und Internetnutzung Anwendung.
Ziel ist es, die berufliche Rehabilitation sowie die Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz dauerhaft und präventiv zu erhalten.³
Begriffserläuterung / Quellennachweis:
ergon = (griechisch) Werk, Tat, Aktivität, Leistung
Therapie = Krankheitsbehandlung
¹ Quelle: Deutsche Therapeutenauskunft
² Quelle: Berufsverbänden und Fachgesellschaften für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz.
³ Quelle: Wikipedia
Kostenübernahme
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